Komponisten
Franz Schubert
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Genre
Singer-Songwriter
Erschienen am
10.09.2021
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Franz Schubert (1797–1828) war im Grunde ein Singer-Songwriter. Nur das Dichten überließ er anderen. Tagsüber komponierte Schubert Lieder. Abends sang er diese, manches Mal sich selbst am Klavier begleitend, schon seinen Freunden vor. Ab und zu war der große Wiener Mozart-Sänger Johann Michael Vogl bei den »Schubertiaden« genannten Salons zu Gast und übernahm den Gesangspart. Bei Wein und Zigarren. Gar nicht immer die große Kunst. Vielmehr: ewige Melodien. In den 31 Jahren seines Lebens schrieb Schubert ungefähr 600 Lieder – und in diesen scheint er unmittelbar zu uns zu sprechen. Die unverstellte Stimme eines Menschen. Vielleicht heiser. Geschasst vom Alltag. Mit wenig Feedback aus der großen Community – und enttäuscht von so manchem Schwarm.

 

Die authentische Unverstelltheit, die große, aber hoch künstlerische, Einfachheit von Schuberts Lied-Oeuvre und die Liebe zu dessen Schaffen brachte den Duisburger Pianisten Kai Schumacher auf die Idee, in eine neue Auswahl dieser Lieder abzutauchen. Ohne Einstecktuch und Frack im Hirn, dafür mit Feuer im Herzen.

 

Kai Schumacher: „Die Schubert-Lieder gehören für mich mit zum Schönsten, was das 19. Jahrhundert an Musik hervorgebracht hat. Allerdings geht für mich bei klassischen Liederabenden die Unmittelbarkeit der Lieder verloren. Das ist mir oft zu artifiziell. Der klassische Sänger verkörpert auf der Bühne eine Rolle - perfekte Intonation und Werktreue sind oft wichtiger als Gefühl und Intention. Ich war schon immer neugierig wie es klingt, wenn jemand da ganz ungekünstelt rangeht, ohne klassische Etikette und die Lieder unvoreingenommen zu seinen eigenen macht. Dieser Sänger musste dabei eigentlich von Anfang an Gisbert zu Knyphausen sein.“

 

Im Songwriter Gisbert zu Knyphausen fand Schumacher tatsächlich jemanden, der schon erste Ausflüge in die Welt des Kunstliedes unternommen hatte. Auch wenn ihm diese zunächst noch ein wenig fremd vorkam.

 

Gisbert zu Knyphausen: Als mich Kai fragte, ob ich Lust auf dieses Projekt hätte, das zunächst nur als reines Konzert in Duisburg und beim Reeperbahn Festival Hamburg angelegt war, dachte ich gleich: „Toll, das will ich unbedingt ausprobieren!“ Auf dem Flohmarkt hatte ich mir früher mal eine Platte mit Schubert-Liedern gekauft, aber so richtig war der Funke damals nicht übergesprungen. Eine erste Ahnung von der Schönheit des Kunstliedes bekam ich, als mir eine Freundin am Ende eines sehr betrunkenen Silvesterfestes den „Leiermann“, gesungen von Dietrich Fischer Dieskau, vorgespielt hat und wir beide sehr ergriffen davon waren. In den Katertagen danach habe ich mir dann die gesamte „Winterreise“ reingezogen. Nach Kais Anfrage habe ich mich natürlich intensiver mit den Liedern beschäftigt, aber es dauerte zugegeben noch eine ganze Weile, bis mir die Lieder so richtig ans Herz gingen. Irgendwann hat es dann aber „Klick“ gemacht und ich fing an, all die besonderen Momente zu entdecken: die großen Melodien, die kunstfertigen Harmoniewechsel.“

 

Schubert sucht sich intime Texte, die ein meist melancholisches Grundgefühl auf einen motivisch-melodischen Gedanken oder einen Rhythmus projizieren. Ein Fließen, ein Rattern, ein stetiges Mahlen der Mühlen; Es muss ja immer weitergehen. Bis zu einem Punkt, an dem Schubert die Faxen dicke hat. Zu viel Selbstmitleid verträgt kein Mensch. Hier sind Schubert und zu Knyphausen möglicherweise wesensverwandt: in ihrer Art, Liebe und Trauer in der Musik zu verbinden. In Liedern in Moll scheint plötzlich in völlig irrealem Dur Unwirkliches auf; in Dur-Liedern bricht im Gegensatz dazu ein trockenes, im Satz oft reduziertes Moll hinein. Im Glück die Trauer und in der Traurigkeit die krass schöne Utopie von Liebe und Geborgensein.

 

Kai Schumacher: „Uns war bei der Songauswahl und den Arrangements die Balance wichtig: ein Schubert-Album zu machen mit ausschließlich traurigen Liedern und viel zu viel Pathos wäre vielleicht in dieser Neubesetzung das gewesen, was man hätte erwarten können. Und hätte auch stur das viel zu einfache Klischee des armen unglücklichen Franz Schubert erfüllt. Deshalb war es notwendig, manchmal fast ironisch mit den Vorlagen zu brechen, wie z.B. beim "Ständchen" oder "Nähe des Geliebten". Außerdem wollte ich diesen schmalen Grad halten zwischen klassischem Anspruch und Respekt vor dem Original einerseits, und sehr persönlicher und zeitgeistiger Interpretation auf der anderen Seite. Also weder neo-romantischer Kitsch, noch glattgebügelter Crossover-Pop.“

 

In den sphärisch heulenden oder heiter ironisierenden Neuvertonungen von Kai Schumacher und Gisbert zu Knyphausen finden sich also all jene Ausdrucksspektren des Schubert-Lied-Universums wieder. Ein jedes Mal neu gedacht, erfühlt, in das Liedvorbild subjektiv und sehr sensibel eingedrungen.

 

'Lass irre Hunde heulen' erscheint digital, als CD und Vinyl am 10. September auf Neue Meister.

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