Biographie

Die Mischung analoger und digitaler Klänge ist in modernen Kompositionen längst kein Novum mehr, doch nur wenige Künstler haben diese musikalische Symbiose so breit und tief in ihrem Schaffen verankert wie der Pianist Ralf Schmid in seinem neuesten Projekt PYANOOK. Während in akustischen Stücken oft auf Postproduktionsebene Technologie eingesetzt wird, um bestehende Klänge zu modifizieren oder zu erweitern, setzt Schmid diese von Anfang an schon bei der Komposition und Aufführung seiner Stücke ein. Dazu nutzt er eine besonders bahnbrechende Innovation der modernen Musiktechnologie: mi.mu-Gloves. Mit ihnen kann er den Klang dessen, was er auf dem Klavier spielt, sofort digital manipulieren - allein durch Handgesten. Diese Interaktion von instrumentaler Virtuosität und sensibel eingesetzter Technologie führte Schmid nicht nur zu einem Album, vielmehr war sie die Grundlage seines Alter-Ego.
„PYANOOK ist meine künstlerische Auseinandersetzung mit der Technologie. Ich setze mir nur eine Grenze: Die gesamte elektronische Klangerzeugung basiert auf dem zeitlosen Timbre des Flügels", sagt Schmid über das Projekt. Die erstmals von der renommierten britischen Musikerin Imogen Heap vorgestellten Musikhandschuhe sind tragbare Tech-Produkte, die Bewegung und Klang verbinden. Sie verwenden Sensoren, die verschiedene Handgesten in programmierbare Soundeffekte umwandeln. Die Handschuhe ermöglichen es Musikern, ihre Musik auf eine natürlichere und ausdrucksvollere Weise zu kreieren: „Hier ist ein Beispiel: Ich möchte den Piano-Sound in einen großen Hallraum schicken - nicht nur ein- und ausschalten, sondern den Effekt stufenlos ein- und ausblenden. Ich kombiniere diese Ausblendung mit einer Handschuhbewegung, d.h. einer Öffnungsgeste, die beide Hände zur Seite bewegt und meine Arme öffnet", erklärt Schmid.
Der deutsche Komponist hatte bereits in der Vergangenheit mit digitalen Werkzeugen gearbeitet, doch erst während eines längeren Aufenthalts in einer Künstlerresidenz in Oslo beschäftigte er sich intensiv damit, wie er mit Hilfe der Technologie sein eigenes Instrument, das Grand Piano, noch erweitern könnte. Der Handschuh war dafür die perfekte Lösung. Mit PYANOOK erschließt Schmid ganz neue Horizonte für analoge Instrumente und Live-Performances. Die Aufgabe, das Album auf die Bühne zu bringen, beschränkt sich dabei nicht nur auf Lesen, Spielen und Interpretieren von Notenblättern. Die Kompositionen werden mit jeder Bewegung des Pianisten lebendig und untrennbar mit ihm und seinem Körper verbunden. Jede leichte Drehung des Handgelenks, jede Fingerbewegung verändert den Klang des Klaviers auf einzigartige Weise: "Beim Experimentieren mit Tasten und Handschuhen gab es einen Moment, in dem ich von der Klavierbank aufstand, um meinen Radius zu erweitern. Ich habe Klavierakkorde mit "Drum-Hits" in der Luft ausgelöst, Effekträume mit Armbewegungen geöffnet und den elektronischen Klangfluss dirigiert", sagt Schmid. Zu seiner intensiven Performance, bei der er seinen gesamten Oberkörper rhythmisch zur Erzeugung der Musik einsetzt, kommt eine faszinierende Lichtshow und Visuals von Pietro Cardarelli. Ausgelöst durch die Bewegungen der Handschuhe interagieren Schmid und Cardarelli audiovisuell in Echtzeit.
PYANOOK ist ein Album, das sowohl die Liebhaber von Jazz und Klassik nicht enttäuscht als auch den progressiveren Musikhörer mit dem Drang, neue akustische Welten zu entdecken, anspricht. Seine 10 Stücke sind von immenser Schönheit und Tiefe. Während die eingesetzten Effekte den Zuhörer herausfordern und faszinieren, sollen sie durch den Klang des Klaviers gleichermaßen geerdet werden: „Das Klavier ist ein Symbol einer langen Tradition, es gibt Sicherheit und Frieden in ständig wechselnden Kontexten", so Schmid. Der Eröffnungstrack des Albums, Impromptu Reggae, ist mit Piano-Kaskaden auf mehreren Ebenen, die analog und digital interagieren ein überwältigender Einstieg in diese neue Klangwelt. Ergänzend zu den dynamischen Klavierimprovisationen werden elektronische Beats addiert: „Es gibt eine vollständige Klavierklangpalette von natürlich bis künstlich. Ein mehrdimensionales Stück, überraschend und verspielt wie das historische Impromptu“, sagt Schmid über den Track. Andere Tracks sind experimenteller Natur; in Aira zum Beispiel spielt Schmid den Kammerton und schwebt sofort mit beiden Handschuhen über dem Klavier, bewegt sie langsam auf und ab und verzerrt den Klang. Das repetitive Pochen der Akkorde wird in einen fernen Groove verwandelt, über den fließende Jazz-Melodien gespielt werden.
Die Suche nach der Essenz des Klangs und die Erforschung seiner grenzenlosen Möglichkeiten hat einen Großteil von Ralf Schmids früheren Arbeiten geprägt. Mit sehr unterschiedlichen Künstlern wie Herbie Hancock, Whitney Houston, Daniel Hope oder dem Trompeter Joo Kraus hat der dabei bereits zusammengearbeitet und große Ensembles und Chöre geleitet. Innerhalb dieser Kooperationen produzierte er Alben, die ein starkes Statement für seine Offenheit gegenüber jeglicher Musik ablegen. Mit PYANOOK öffnet Ralf Schmid nun das Klavier selbst und setzt seine Seele und Potenzial frei. „Ich entdecke Magie, Choreographie, Poesie im Zusammenspiel von Mensch und Maschine." PYANOOK markiert ein neues Kapitel einer laufenden Reise, die in naher Zukunft nicht aufzuhören scheint: „Es ist eine futuristische Art und Weise, ein Instrument mit so großer Tradition zu spielen. Es ist der Reisebericht meiner laufenden Flügelexpedition", sagt er. „Es gibt noch so viele Klangmöglichkeiten auf dem Weg", so viele Entdeckungen von neuen Auftritten, die während des Auftritts entstanden sind, so viele Empfehlungen für neue aufregende Werkzeuge. Ich denke, diese Arbeit hat gerade erst begonnen."

Releases

News

  • Ansicht
Neue Meister
Skip to content