Künstler
Informationen
Genre |
Experimentelle Musik |
Erschienen am |
24.09.2021 |
Informationen
Der dänische Komponist, Pianist und Produzent Asger Baden hat sich mit dem Komponieren atmosphärischer Musik für Filme und TV-Serien einen Namen gemacht, die beispielsweise in weltbekannten Produktionen wie „Breaking Bad“ und „The Wolfpack“ verwendet wurde. Nachdem er in verschiedenen gemeinsamen Projekten, wie etwas mit den Bands „The Crooked Spoke“ und „Cours Lapin“ gearbeitet hat, veröffentlicht Baden nun sein Solo-Album. „If the music stops, they’ll eat him up“ erscheint beim Berliner Label Neue Meister.
„If the music stops, they’ll eat him up“ baut im Laufe seiner neun Stücke eine Art mysteriöses und sehr visuelles Storytelling auf. Wie es von einem Komponisten, der ausgiebig mit dem Kino gearbeitet hat, erwartet wird, entfaltet sich die Musik ähnlich wie ein Spielfilm, der satte und strukturierte Bilder herbeizaubert. Es ist, als hätte Baden einen breiten und ausgedehnten musikalischen Raum gemalt, in dem die Zuhörerschaft eingeladen ist, jede Ecke und jeden Winkel zu erkunden, von zarten, perkussiven Fußspuren im Hintergrund, über das flüsternde Rattern von Synthesizern im Vordergrund oder die zerbrechliche Konversation von Streichern, die an den Seiten stattfindet. Es steckt ein überwältigender Sinn von Offenheit und Atmosphäre in jedem Laut, mit einem kirchenartigen Echo, das den Raum, der sie umgibt, beschreibt. „Ich möchte mich selbst an eine Position stellen, an der meine Ohren weit offen für die Launen, zufälligen Vorkommnisse und glücklichen Missgeschicke sind, anstatt völlig auf die Komposition im konventionellen Sinn fokussiert zu sein“, sagt Baden, „für mich öffnet sich dadurch sozusagen die Tür zu einer viel größeren Leinwand.“
Es gibt eine beabsichtigte Verschwommenheit in Badens Kompositionen, die Filmen mit offenem Ende gleichen. „Crooked Spoke“, eine Reise, die sich nichtlinear durch Klarinette, Klavier und Streicher entfaltet, fängt dieses mysteriöse Gefühl ein, jedes Instrument erzählt seinen Teil derselben Geschichte, sich dabei aus dem Jazz der Idee eines fortwährenden und dennoch ergebnislosen Dialoges bedienend. „Ich nehme Stunden um Stunden improvisiertes Material von mir und anderen MusikerInnen auf, um dann einzelne Bruchstücke aus diesen weiten Klangfeldern zu ernten“, erklärt Baden diesen Prozess, der auf akribische Postproduktion setzt. Trotz der unbestreitbaren Aufmerksamkeit für die Details im Stück – etwa der eindeutige Wiederhall jeder Note und das fühlbare Geknister der Klarinette – offenbart sich das gesamte Bild der Musik niemals vollständig, ihr übergeordnetes Ziel bleibt von Mystik und Faszination ummantelt.
Die Tatsache, dass sich sowohl gewagte Experimente als auch einfache Motive auf dem Album gegenseitig ergänzen, ist Zeugnis von Badens Vertrautheit mit Klängen und seinem Bestreben, sie soweit wie möglich zu öffnen und auszudehnen. Er hat Klavier und Keyboard am Rhythmischen Musikkonservatorium in Kopenhagen studiert und so haben seine Kompositionen immer die natürlichen Eigenschaften traditioneller Instrumente einbezogen, ebenso wie sie sie an ihre physischen Grenzen gedrückt haben. „Beim Anschlagen der Klaviersaiten kann das Ohr bis zu einem gewissen Grad entziffern, dass es sich um ein Klavier handelt, aber die Stimmung ähnelt eher einem Hackbrett oder einer alten Uhr. Beim Biegen der Saiten mit Hilfe von Angelsehne entsteht ein unheilvoller Klang. Die herunter gestimmte Klarinette klingt eher wie ein Geist, der in einem Schwarzweiß-Film Saxofon spielt“, erklärt der Komponist. „Ich finde es sehr inspirierend, wenn Musik nicht zu einfach zu definieren oder festzumachen ist. Das hält mich und hoffentlich auch die Zuhörerschaft neugierig.“ Der Track „Nobrac Naked“ fängt das Rätsel der Hörerfahrung ein. Während der erste Teil des Stückes – bestehend ausschließlich aus Streichorchester und Klarinette und aufgenommen in der majestätischen „Rudolfinum“-Konzerthalle in Prag -– die Welt von klassischem Ballett und der Oper kanalisiert, macht die Klarheit des Klanges schleichend Platz für eine surreal anmutende Atmosphäre. So wie sich Ballett oder Theater drastischer Techniken bedienen können, um fantastische Traumwelten zu eröffnen, weist der Track sanft auf den schmalen Grat zwischen traditionellen und avantgardistischen Zugängen zum Musikmachen hin.
Es gibt definitiv genug Raum für Fantasie auf „If the music stops, they’ll eat him up“ und vieles bleibt der Vorstellungskraft der Zuhörer:innen überlassen. Der Albumtitel selbst beinhaltet eine furchterregende Frage: „wer wird wen auffressen?“ Das dazugehörige Cover-Bild stammt vom dänischen Illustrator John Kenn Mortensen und zeigt Abbildungen von Monstern, die – je nach Art und Weise der Betrachtung – als freundlich oder bedrohlich gesehen werden können und somit den Sinn der Entrückung noch verstärken. Es sind genau die mehrdeutigen Bilder, die Baden mit seiner Musik malt: große, opulente Räume mit schaurigen und dunklen Ecken; ruhige, milde Frühlingstage mit ständig lauernder Gewitter- Gefahr. Der Titeltrack des Albums stellt sich wiederholende gezupfte Klaviersaiten neben den sehnsuchtsvollen Klang des Sinfonieorchesters, um ein Tempo zu erzeugen, das schnell und gleichzeitig träge ist, und eine Stimmung, die sowohl düster als auch hoffnungsvoll zugleich ist. Baden sagt über den Track: „der Kontrast lässt vermuten, dass an der Geschichte noch mehr dran ist.“ Tatsächlich, der Song – sowie das gesamte Album -– rufen nach aktiver Teilnahme seitens der Zuhörer, um die unbeschriebenen Stellen zu füllen. Wie alle guten Kunstwerke wirft es mehr Fragen auf, als Antworten formuliert werden.
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Genre |
Experimentelle Musik |
Erschienen am |
24.09.2021 |